Ersatz der erkrankten
Herzklappe durch kцrpereigene Herzklappe
Exzellente Langzeitfunktion ohne Gerinnungshemmung - Niedriges
Operationsrisiko
10 Jahre Erfahrung mit der Ross-Operation
Alle herkцmmlichen Aortenklappenprothesen weisen Probleme wie thrombotische und thromboembolische Ereignisse, Blutungskomplikationen unter Therapie mit Gerinnungshemmern, Klappendegeneration, funktionelle Unzulдnglichkeit, Endokarditis (Herzklappenentzьndung) und Gerдuschentwicklung auf. Als vielversprechende Alternative gewinnt der Ersatz der defekten Aortenklappe durch die kцrpereigene Lungenschlagaderklappe (Ross-Operation) fьr geeignete Patienten zunehmende Bedeutung. Die Vorteile der Ross-Operation bestehen in einer optimalen Hдmodynamik bei voller Belastbarkeit des Patienten, einer ausgezeichneten Langzeitfunktion und einem uneingeschrдnkten Lebensstil mit unproblematischer beruflicher Wiedereingliederung. Eine Antikoagulantientherapie (mit z. B. MarcumarЃ, FalithromЃ, CoumadinЃ) ist nicht erforderlich.
Der Herzklappenersatz mit den derzeit handelsьblichen mechanischen und biologischen Prothesen fьhrt zu einer verbesserten Hдmodynamik, Leistungsfдhigkeit und Lebenserwartung. Alle Ersatzventile weisen jedoch Probleme wie Klappendegeneration, erneute Operation, thrombotische und thromboembolische Ereignisse, Blutungskomplikationen unter oraler Antikoagulantientherapie, hдmodynamische Unzulдnglichkeiten, Klappen- infektion und Gerдuschentwicklung auf. Die autologe Pulmonalklappe (eigene Lungenschlagaderklappe) erfьllt die Qualitдtskriterien eines idealen Ersatzventils. Sie ist mit der gesunden Aortenklappe hinsichtlich Bauweise, Vertrдglichkeit, Vitalitдt, Sterilitдt, Wachstumsfдhigkeit, Gerдuschlosigkeit und Lebensdauer vergleichbar. Die pulmonale Autograft-Operation, auch Ross-Operation genannt, bezeichnet ein chirurgisches Verfahren, das den Ersatz der Aortenklappe durch die autologe Pulmonalklappe sowie die dadurch notwendig gewordene Rekonstruktion der Ausfluяbahn der rechten Herzkammer mit einer Spenderklappe (Homograft) beinhaltet.
1960 implantierte R. R. Lower im Tierversuch die Pulmonalklappe in die Aorta ascendens (Hauptschlagader) und 1966 R. C. Pillsbury in die Aortenklappenwurzel. Ein Jahr spдter gelang Donald Ross der erste klinische Aortenklappenersatz mit einer autologen Pulmonalklappe. Aufgrund der Komplexitдt dieser Operation einerseits und der sich andererseits rasch entwickelnden, einfach zu implantierenden mechanischen Ersatzventile und Bioprothesen fand die Ross-Operation zunдchst keine weitere Verbreitung. Erst durch die Publikationen exzellenter klinischer Ergebnisse Anfang der 90er Jahre und den immer deutlicher werdenden Nachteilen der herkцmmlichen Ersatzventile gewann dieses Verfahren zunehmende Attraktivitдt, so daя 1993 fьr die Ross-Operation ein internationales Register eingerichtet wurde. Seit 1987 ist weltweit ein exponentieller Anstieg der Operationszahlen von anfangs 30 Eingriffen pro Jahr auf ьber 600 im Jahr 1996 zu verzeichnen. Die Gesamtanzahl der Ross-Operationen betrug bis Mitte 1997 ca. 3000 Operationen in 122 Zentren.
Zur Zeit gilt als generell akzeptierte Indikation die isolierte Aortenklappenerkrankung bei jungen Patienten im Alter zwischen 11 und 50 Jahren. Insbesondere profitieren von dieser Operationsmethode Patienten, die keine gerinnungshemmende Therapie vertragen, aktive Menschen mit sportlichen Ambitionen, Kinder (da die implantierte eigene Lungenschlagaderklappe mitwдchst) und Frauen mit Kinderwunsch. Weiterhin scheint sich die Ross-Operation besonders bei einer auf die Aortenklappe begrenzte Endokarditis (Herzklappen- entzьndung) zu bewдhren.
Mit zunehmenden Erkenntnissen erweitert sich in Zentren mit umfangreichen Erfahrungen auch das Indikations- spektrum. So werden in diesen Zentren auch Kombinationseingriffe, Notfalloperationen oder eine erneute Operation nach vorangegangenem Aortenklappenersatz oder -korrektur nach dem Ross-Verfahren durchgefьhrt. Auch besteht eine Altersgrenze nur noch insoweit, als die Ross-Operation nicht erfolgen sollte, wenn die allgemeine Lebenserwartung mit groяer Wahrscheinlichkeit unter derjenigen einer Bioprothese liegt. Neugeborene und aktive Patienten in der 7. Lebensdekade kцnnen gleichermaяen von einer Ross-Operation profitieren. Als klare Kontraindikationen gelten anatomische und strukturelle Defekte der Pulmonalklappe, Bindegewebserkrankungen wie das Marfan-Syndrom, eine schwere koronare Herzkrankheit, ein reduzierter Allgemeinzustand, eine stark eingeschrдnkte Herzfunktion oder starke Verkalkungen im Bereich der Koronar- ostien (Abgдnge der Herzkranzgefдяe) sowie insbesondere aktive Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis. Eine Aortenklappenringerweiterung stellt keine Kontraindikation dar, da der Aortenklappenring plastisch auf die gewьnschte Grцяe reduziert werden kann.
In moderater Perfusionshypothermie von 28 bis 30∞ C und kьnstlichem Herzstillstand wird ьber eine kurze Inzision oberhalb der Kommissuren die Pulmonalklappe auf ihre Verwendungsfдhigkeit untersucht. Anschlieяend erfolgt unter besonderer Berьcksichtigung des Koronararterienhauptstammes und des ersten Septumastes des Ramus interventricularis anterior die Exzision der Pulmonalklappe (Abb.1)
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Der Einbau der autologen Pulmonalklappe in Aortenposition kann prinzipiell in drei verschiedenen Techniken vorgenommen werden:
1. freistehender Aortenwurzelersatz |
2. Subkoronartechnik |
3. Wurzelinklusionstechnik |
Die gesamte Pulmonalklappe inklusive Wandanteile wird als freie Wurzel verwendet mit Reimplantation der Koronararterien (Herzkranzgefдsse) in die Neoaortenwurzel (ursprьngliche Pulmonalklappenwurzel). Vorteil: relativ einfache Technik, kaum Verziehen der Geometrie durch die Operation; Gefahr der ьbermдяigen Erweiterung der Pulmonalklappenwurzel durch den Nachteil: Systemdruck im Laufe der Jahre nach der Operation mit dem Risiko einer Klappendysfunktion und einer erneuten Operation
Die kцrpereigene Pulmonalklappe wird in die Wurzel der eigenen Aortenklappe implantiert, wobei das Pulmonalwandgewebe weitestgehend entfernt wird und die Nдhte unterhalb der Herzkranzgefдяabgдnge liegen. Vorteil: keine ьbermдяige, ungewьnschte Erweiterung der Aortenklappenwurzel; Nachteil: etwas kompliziertere Technik
Die gesamte Pulmonaliswurzel wird mit Wandanteilen in die Aortenwurzel des Patienten eingefьgt. Vorteil: keine Erweiterung der Neoaortenwurzel zu befьrchten, Erhalt der Geometrie; Nachteil: komplizierte Operationstechnik
In den letzten Jahren wird vornehmlich die Technik der freistehenden Wurzeltransposition angewendet. Die Autoren bevorzugen die ursprьngliche Subkoronartechnik, weil hierdurch die Gefahr der spдteren aneurysmatischen Erweiterung der Neoaortenwurzel vermieden werden kann. Grцяenunterschiede des Pulmonal- und Aortenklappenringes sollten durch Aortenklappenringerweiterungs- und -einengungsplastiken annдhernd ausgeglichen werden. Der rechtsventrikulдre Ausfluяtrakt wird durch Implantation einer pulmonalen Spenderklappe von дhnlicher Grцяe wie der Aortenklappenringdurchmesser wiederhergestellt.
Operationszeiten
Die operationsbedingten langen Bypass- und Ischдmiezeiten des Herzens bedeuten bei den modernen Perfusionstechniken und Protektionsmцglichkeiten des Myokards keine gravierende Einschrдnkung fьr diese Operationsmethode.
Von Februar 1990 bis Oktober 1999 wurden von den Autoren insgesamt 140 Patienten der Ross-Operation unterzogen. Die Patienten erhielten postoperativ keine orale Antikoagulantientherapie, sofern keine anderweitigen Indikationen hierfьr auftraten. Das mittlere Alter der 29 weiblichen und 92 mдnnlichen Patienten, die bis August 1998 operiert wurden, betrug 49±14 Jahre (Spannweite 15 bis 71 Jahre). Am hдufigsten (n=86; 77,5 %) wurde die subkoronare Operationstechnik angewendet, gefolgt von der Wurzelinklusion (n=15; 13,5 %) und dem totalen Wurzelersatz (n=10; 9 %). Der klinische Schweregrad konnte prдoperativ gemдя der Klassifizierung der New York Heart Association (NYHA) folgendermaяen eingeteilt werden: NYHA I 7 %, NYHA II 36 %, NYHA III 46 % und NYHA IV 11 %.
№berlebensraten und Komplikationen
Der Vergleich von Langzeitergebnissen nach Aortenklappenersatz ist schwierig. Dieses ist nicht nur bedingt durch die Unterschiede bezьglich der Dauer der Nachbeobachtungszeit, der Demographie der Patienten, der Operationstechnik und des Prothesentyps, sondern auch durch die statistische Darstellung der Ergebnisse. So wird die nach der Methode von Kaplan-Meier bestimmte, aktuarielle Langzeitьberlebensrate nach einer Ross-Operation (mittleres Operationsalter 32 Jahre) von Chambers mit 85 % nach 10 Jahren und 61 % nach 20 Jahren angegeben. Bei einer hinsichtlich des Operationsalters vergleichbaren Gruppe wird von Fann ьber eine aktuarielle №berlebensrate, die nach Cutler-Ederer berechnet wurde, von 70 % 10 Jahre nach Bio- prothesenimplantation berichtet. In dem hier vorgestellten Patientenkollektiv mit 98 % Nachuntersuchungsvollstдndigkeit trat ein Frьh- und ein Spдttodesfall nichtkardialer Ursache auf, dieses entspricht einer Mortalitдtsrate nach 10 Jahren von 1,4 %. Hammermeister gibt eine №berlebenswahrscheinlichkeit (mittleres Operationsalter: 59 Jahre) von 52 % nach 10 Jahren bei mechanischem Klappenersatz und von 45 % nach 10 Jahren bei Bioprothesenimplantation an. Patienten mit mechanischen Herzklappenprothesen weisen eine hцhere Rate an Blutungskomplikationen und Thromboembolien auf. Der Langzeitverlauf der Patienten mit Bioprothesen ist dagegen durch hдufigeres Klappenversagen mit nachfolgenden Reoperationen gekenn- zeichnet. Bei Patienten nach Ross-Operation wird ьber eine niedrigere Komplikationsrate berichtet, wobei die Autograftdysfunktion, die hдufig technisch bedingt ist, sowie die Dysfunktion des Homografts im Vordergrund stehen. Die Reoperationsfreiheit hinsichtlich der Autografts betrдgt nach Chambers nach 20 Jahren 75 %, diejenige der Homografts nach 20 Jahren 92 %. Fьr eine endgьltige Beurteilung der Ross-Operation im Ver- gleich zu den gдngigen Verfahren des Aortenklappenersatzes mьssen insbesondere die Langzeitergebnisse der laufenden prospektiv randomisierten Studien abgewartet werden.
Klappenfunktion
Die Beurteilung der Klappenfunktion durch transthorakale Echokardiographie ergab in der Serie von Chambers nach 20 Jahren folgende Ergebnisse: Keine Stenose im Bereich des Autografts, 75 Prozent Freiheit von signifikanter Aortenklappeninsuffzienz. Von 40 aortalen Homografts zeigten 36 keine bedeutende Regurgitation, aber 25 wiesen einen Gradienten von mehr als 20 mmHg auf. Im internationalen Register wird die postoperative Aortenklappeninsuffizienz als trivial bei 37 Prozent der Patienten, als gering (Grad I) bei 49 Prozent, als mдяig (Grad II) bei 11 Prozent, als mittelschwer (Grad III) bei 2 Prozent und als schwer (Grad IV) bei 1 Prozent angegeben. Als hдmodynamische Besonderheit der Ross-Operation gilt, daя auch unter Belastung der Druckgradient ьber dem Autograft - im Gegensatz zu dem bei mechanischen Klappen und Bioprothesen - nicht ansteigt.
Zirkulierende Mikroembolien
Durch transkranielle Dopplersonographie konnte bei Patienten nach Ross-Operation im Vergleich zu denjenigen nach Aortenklappenersatz mit mechanischer Prothese eine signifikant niedrigere Rate und Inzidenz an fьr Mikroembolien charakteristischen Signalen in der Arteria cerebri media nachgewiesen werden. Obwohl neuere Untersuchungen ergeben haben, daя diese Mikroembolien bei Patienten nach mechanischem Herzklappenersatz hauptsдchlich aus Gas bestehen und zum Zeitpunkt der Untersuchung klinisch unauffдllig verliefen, bleibt die Frage offen, ob diese Ereignisse auf Dauer klinisch relevant werden kцnnen und zu neurologisch-psychiatrischen Problemen bei den Patienten fьhren.
Hдlt die eigene Pulmonalklappe dem hцheren Systemdruck stand?
Die hдufig diskutierte Frage, ob die aus dem Niederdrucksystem stammende Pulmonalklappe akut dem Systemdruck standhдlt, konnte durch die Arbeiten von Gorczynski insofern bejaht werden, als die Pulmonalklappe eine hцhere Zugfestigkeit aufweist als die Aortenklappe. Bestдtigung finden diese Ergebnisse in der Tatsache, daя die Autografts direkt nach der Implantation nicht zu einer strukturell bedingten akuten Aortenklappeninsuffizienz neigen. Sie weisen eine stabile Funktion im Langzeitverlauf auf und sind nach 24 Jahren noch vital. Dennoch wird von den Autoren streng darauf geachtet, daя in der direkten postoperativen Phase hypertensive Kreislaufsituationen zum Schutz der Aortenklappensegel vermieden werden.
Neo-Aortenklappeninsuffizienzen
Die postoperativen Aortenklappeninsuffizienzen kцnnen grundsдtzlich in zwei Gruppen unterteilt werden. Die direkt postoperativ nachweisbaren signifikanten Aortenklappeninsuffizienzen entstehen hдufig im Verlauf der Operation. Sie kцnnen mit wachsender chirurgischer Erfahrung vermieden werden. Bei den letzten 30 von den Autoren operierten Patienten trat eine minimale postoperative Aortenklappeninsuffizienz (Grad 0-I) nur in vier Fдllen auf. Ob die trivialen Regurgitationen funktionell bedingt sind oder durch die unvermeidliche Denervierung der Autografts und damit der Semilunarklappen unterstьtzt werden, ist noch unklar. Diese frьhpostoperativen Insuffizienzen bleiben im Langzeitverlauf meistens stabil. In Einzelfдllen kann es auch zu einer Verringerung der Insuffizienzen kommen. Die spдtpostoperativen, sich im Langzeitverlauf entwickelnden Aortenklappeninsuffizienzen sind meistens durch allgemeine pathologische Prozesse, die auch die anderen Herzklappen befallen kцnnen, verursacht. Ein besonderes Problem stellen junge Patienten mit akuten Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis dar. Bei ihnen kцnnen diese Prozesse auch den Autograft mit der Gefahr der Entwicklung einer Aortenklappeninsuffizienz einbeziehen. Dieses konnte bei zwei jungen Patienten in dem hier vorgestellten Patientenkollektiv ebenfalls beobachtet werden. Bei Vorliegen oder auch bei Verdacht auf eine derartige Grunderkrankung ist zur Zurьckhaltung bei der Indikationsstellung zu raten.
Kann es zu Abstossungsreaktionen der Spenderklappe kommen?
Der Homograft in der rechtsventrikulдren Ausfluяbahn besteht aus Fremdgewebe und neigt somit zu Abstoяungsreaktionen. Mцglicherweise kцnnen diese Vorgдnge fьr die bei einigen Patienten direkt postoperativ auftretenden, anderweitig nicht zu erklдrenden Temperaturen verantwortlich sein und Degenerationsprozesse gefolgt von Klappendysfunktionen auslцsen. Diese werden zwar im Niederdrucksystem des rechten Ventrikels eher toleriert als in Aortenposition, kцnnen aber im Langzeitverlauf zu Reoperationen fьhren. In der Nachbeobachtungsperiode von 25 Jahren aus der Verцffentlichung von Chambers war eine Homograftdysfunktion nur selten an der postoperativen Mortalitдt und Morbiditдt beteiligt. Die durch Homograftdysfunktion bedingte Reoperationsrate betrug fьr antibiotisch sterilisierte aortale Homografts nach 20 Jahren 8 Prozent und liegt damit deutlich niedriger als die fьr Bioprothesen angegebene Reoperationsrate. In diesem Kontext sind sorgfдltige Nachuntersuchungen des Homografts und insbesondere der rechtsventrikulдren Funktion wichtig.
Neuer Therapieansatz
Zur Verbesserung der Funktion und Haltbarkeit der Spenderklappe wird von den Autoren ein neuartiges Therapieschema eingesetzt. Die Gewebsmerkmale von Spenderklappe und Empfдnger werden дhnlich wie bei der Transplantation anderer Organe aufeinander abgestimmt, um Abstossungsreaktionen zu vermeiden. Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend und deuten auf eine reduzierte Abstossungsneigung mit verbesserter Hдmodynamik hin.